Forscher: Dr. des. Marius Henderson
Mein Projekt untersucht die Beziehung zwischen Abstraktion und Erniedrigung in künstlerischen Praktiken und Formen der Wissensproduktion sowie in nicht-künstlerischen diskursiven und affektiven Formationen vom späten 19. Jahrhundert an bis in die Gegenwart.
Konstitutive Faktoren des frühindustriellen Kapitalismus und hegemoniale Subjektivierungsprozesse entlang der Kategorien Rasse, Geschlecht, Behinderung und weiteren Kategorien der sozialen Positionierung beruhen auf der Gleichzeitigkeit der Schaffung abstrakter Kategorien und der grundsätzlichen Erniedrigungen von Bevölkerungsgruppen (z.B. von Persons of Color) und spezifischen Praktiken (z.B. feminisierte Fürsorgearbeit/reproduktive Arbeit).
Ich argumentiere, dass die frühen westlichen, transnationalen Avantgarden der Moderne in ihrer Bemühung um
ästhetische Abstraktionsformen konzeptuell und konstitutiv oft auf die Ablehnung von Blackness und „Weiblichkeit“ setzen. In meinem Projekt beabsichtige ich, selten beachtete Aspekte ästhetisch-politischer Praktiken hervorzuheben, die mit verschiedenen Abstraktionsformen experimentieren, Abstraktion nicht von der Verkörperung lösen und eher Blackness und feminisierte Fürsorgearbeit/Reproduktionsarbeit umfassen als erniedrigen. Diese Praktiken müssen in Bezug auf Fragen des Scheiterns diskutiert werden, da sie angeblich nicht den normativen Standards des hegemonialen Avantgarde-Abstraktionismus und auch nicht den Erwartungen entsprechen, die an die ästhetisch-politischen Ausdrucksformen marginalisierter Bevölkerungen gerichtet sind.
Mein Projekt diskutiert das Potenzial der künstlerischen Praxis als eine Form der Wissensproduktion, als „künstlerische Forschung“, die implizit und explizit normative Konzeptualisierungen der wissenschaftlichen Wissensproduktion hinterfragt, da sie vermeintlich nicht den wissenschaftlichen Standards entspricht und Modalitäten des Scheiterns als grundlegende Ressource behandelt (cf. Moten and Harney 2013; Manning and Massumi 2014; Halberstam 2011, 2014).
Thematisch, gerade mit dem Fokus auf die Dynamik von Abstraktion und Erniedrigung, ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem (hauptsächlich rassisierten und geschlechtsspezifischen) „Vorübergehen“ für mein Projekt entscheidend. Das „Vorübergehen“ stellt Formen der Wissensproduktion dar und ist eng mit Valenzen des Scheiterns verbunden – z.B. durch das Scheitern des „Vorübergehens“ oder das Scheitern des Bewahrens der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Subjektposition.
Die Felder des zeitgenössischen kritischen Diskurses, in denen mein Projekt angesiedelt ist oder mit denen es interagiert, sind: Affekttheorie, Black Studies, Queer-Theorie, feministische Theorie, „neuer Materialismus“.